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Die neue Mitte-Studie 2024/25 der Friedrich-Ebert-Stiftung beschreibt ein angespanntes gesellschaftliches Klima. Rechtspopulistische Deutungen gewinnen an Raum, während Vertrauen und Dialog schwinden. Viele Themen der Studie betreffen auch die Praxis der Soziokultur: von Demokratiebildung über zivilgesellschaftliches Engagement bis zur Frage, welche Orte den gesellschaftlichen Zusammenhalt tragen.

Politische Bildung als Fundament demokratischer Kultur

Demokratie entsteht nicht von selbst. Sie muss gelernt, erlebt und geübt werden. Die Studie hebt hervor, dass politische Bildung Wissen, Urteilskraft und Teilhabe fördert, zugleich aber zunehmend Angriffen ausgesetzt ist. Programme werden als zu politisch oder zu identitätspolitisch kritisiert, Förderungen stehen infrage. Gefordert wird eine unabhängige, langfristig gesicherte politische Bildung, die demokratische Kompetenzen stärkt und pluralistische Debatten ermöglicht.

Zivilgesellschaft unter Druck

Zivilgesellschaftliche Organisationen übernehmen wichtige Aufgaben für Zusammenhalt und Demokratie, geraten aber selbst verstärkt in politische Auseinandersetzungen. Ihnen wird Parteilichkeit oder fehlende Neutralität vorgeworfen, was Engagement erschwert und Projekte gefährdet. Die Studie warnt vor einer schleichenden Aushöhlung unabhängiger zivilgesellschaftlicher Arbeit und fordert verlässliche Rahmenbedingungen für gemeinwohlorientiertes Handeln.

Fehlende Orte für Austausch und Begegnung

Gesellschaftliche Gruppen begegnen sich immer seltener. Abschottung, Misstrauen und das Entstehen paralleler Öffentlichkeiten führen zu Entfremdung und zum Verlust gemeinsamer Erfahrungen. Die Studie sieht in dieser Entwicklung eine zentrale Ursache gesellschaftlicher Spaltung und plädiert für mehr Räume, in denen Menschen unterschiedlicher Hintergründe kontrovers, aber respektvoll miteinander ins Gespräch kommen können.

Soziale und kulturelle Infrastruktur als Vertrauensanker

Das Vertrauen in Demokratie hängt eng mit wahrgenommener Lebensqualität zusammen. Wo soziale und kulturelle Einrichtungen verschwinden, wird der Alltag ärmer und Unzufriedenheit wächst. Vor allem in kleineren Städten entstehen Lücken in der Daseinsvorsorge, die als Brennpunkte wahrgenommener Ungleichheit wirken. Lebensnahe Infrastruktur – Bildung, Freizeit, Kultur, Begegnung – gilt der Studie zufolge als Grundbedingung demokratischer Stabilität.

Regionale Ungleichheit

In vielen ländlichen und peripheren Regionen erleben Menschen gesellschaftlichen Wandel als Benachteiligung. Fehlende Infrastruktur, Abwanderung und geringere Teilhabechancen verstärken das Gefühl, „abgehängt“ zu sein. Diese Wahrnehmung spiegelt sich in sinkendem Vertrauen in Institutionen und wachsender Zustimmung zu populistischen Positionen.

Klimapolitik und soziale Gerechtigkeit

Kaum ein Thema polarisiert so stark wie Klimaschutz. Viele empfinden ökologische Maßnahmen als sozial ungerecht oder elitär. Die Studie zeigt: Nur wenn Klimapolitik soziale Ausgleichsmechanismen mitdenkt, entsteht Akzeptanz. Ohne gerechte Verteilung und glaubwürdige Kommunikation drohen neue gesellschaftliche Bruchlinien.

Emotionen als politische Triebkräfte

Politische Einstellungen werden immer stärker von Emotionen geprägt. Angst, Wut und Ohnmacht beeinflussen die Wahrnehmung politischer Themen oft stärker als Fakten.
Diese Emotionalisierung fördert Feindbilder und erschwert sachlichen Austausch. Die Studie fordert Dialogformate, die Emotionen anerkennen und Gesprächsräume eröffnen, in denen Ambivalenzen ausgehalten werden können.

Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit bleibt verbreitet

Abwertende Einstellungen gegenüber Geflüchteten, Muslim*innen, Jüd*innen, queeren Menschen oder Frauen bleiben verbreitet. Antifeminismus und Maskulinismus gewinnen an Sichtbarkeit und werden politisch instrumentalisiert. Empfohlen werden kontinuierliche Präventions- und Bildungsmaßnahmen, die Gleichwertigkeit, Vielfalt und respektvollen Umgang fördern.

Demokratie lernen – im Alltag

Demokratische Haltung entsteht nicht nur in der Schule. Auch Familie, Vereine, Religionsgemeinschaften oder lokale Initiativen tragen dazu bei, dass Menschen Verantwortung übernehmen und Mitbestimmung erfahren. Die Studie plädiert dafür, solche Lernorte zu stärken und sie als wesentliche Bestandteile einer demokratischen Kultur anzuerkennen.

Die repräsentativen „Mitte-Studien“ der Friedrich-Ebert-Stiftung geben alle zwei Jahre Auskunft über die Verbreitung, Entwicklung und Hintergründe rechts-extremer, menschenfeindlicher und antidemokratischer Einstellungen in Deutschland. Die diesjährige Ausgabe unter dem Titel „Die angespannte Mitte“ blickt auf die Normalisierung des Rechtsextremismus und aktuelle Entwicklungen in Zeiten globaler Verunsicherungen.

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Steuerpolitische Vorschläge des Deutschen Kulturrates. In seiner Stellungnahme konzentriert sich der Deutsche Kulturrat auf Möglichkeiten der Vereinheitlichung und des Bürokratieabbaus im Steuerrecht. Der Deutsche Kulturrat begrüßt, dass die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode einen Schwerpunkt auf den Abbau von Bürokratie legen will. Vereinfachungen im Steuerrecht können einen wesentlichen Beitrag hierzu leisten. Sie können Kulturunternehmen und -einrichtungen, Künstlerinnen und Künstler, Kulturvereine, Verbraucherinnen und Verbraucher und nicht zuletzt die Verwaltung in Kommunen und Ländern sowie im Bund entlasten. Sie tragen zu Transparenz und Verständlichkeit und damit zur Akzeptanz steuerrechtlicher Regelungen bei.

Übersicht:

Klarheit bei Umsatzsteuerermäßigungen herstellen

Der Deutsche Kulturrat dankt dem Bundesfinanzministerium und dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, dass für ein wichtiges, in den letzten zehn Jahren immer wieder debattiertes Thema – die Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatz bei Kunstverkäufen durch den Handel – nunmehr eine Lösung herbeigeführt wurde. Seit dem 01.01.2025 gilt für Kunstverkäufe über den Handel ebenso wie bei Kunstverkäufen aus dem Atelier der ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7 %.

Gleichwohl sind hieraus neue Probleme insbesondere mit Blick auf den Umsatzsteuersatz für Künstlerische Fotografie, Lichtkunst, Videoarbeiten und Serigrafien entstanden. Für sie gilt die volle Umsatzsteuer von 19 %, wohingegen für von Hand geschaffene Werke der Malerei und Bildhauerei der ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7 % anzuwenden ist. Der Regelsteuersatz wird der Bedeutung künstlerischer Vervielfältigung im Kunstsektor nicht gerecht. Die grundrechtliche Freiheit der Kunst darf nicht länger insofern beschränkt sein, als nur solche Künstlerinnen und Künstler steuerbegünstigt werden, die mit herkömmlichen Materialien und Techniken arbeiten. Im 21. Jahrhundert ist es nahezu abwegig, Urheberinnen und Urheber von der Ermäßigung auszuschließen, die durch die Nutzung moderner Technologien in ihrer künstlerischen Produktion wesentlich zur Weiterentwicklung der bildenden Kunst beitragen. Der ermäßigte Umsatzsteuersatz ist daher auch hier angemessen.

Darüber hinaus gilt auch für andere künstlerische und kulturelle Leistungen und Lieferungen teils der ermäßigte und teils der volle Umsatzsteuersatz. Die Unterschiede sind weder nachvollziehbar noch mit Blick auf die Arbeitspraxis der Urheberinnen und Urheber begründbar. So werden aktuell einfache Lesungen mit 19 % Umsatzsteuer belegt, Lesungen mit schauspielerischen Darbietungen hingegen mit 7%. Für dramaturgisch gestaltete Hörbücher, mithin Hörspiele, gilt ein Umsatzsteuersatz von 19 %, für gelesene Hörbücher bloß 7 %. Wenn Künstlerinnen und Künstler ihre eigenen Rauminstallationen und Skulpturen selbst aufbauen, fallen 19 % Umsatzsteuer an, liefern sie lediglich die Objekte, sind es nur 7 %. Bei Lieferung und Anbringung von festinstallierten Kunstwerken am Bau gelten 19 % Umsatzsteuer, wenn das Bildwerk hingegen abnehmbar ist, sind 7 % fällig.

Der Deutsche Kulturrat fordert daher, zum Abbau von Bürokratie sowie aus Gründen der Rechtssicherheit und der Gleichbehandlung künstlerische und kulturelle Leistungen sowie Lieferungen mit einem einheitlichen Umsatzsteuersatz von 7 % zu belegen. Hierfür gilt es, sich für eine Einbeziehung der entsprechenden Zolltarif-Nummern (z. B. Fotografie: Tarif Nr. 491191) in den Katalog begünstigter Güter stark zu machen. Neben dieser überfälligen Anpassung an die heutige künstlerische Praxis sollte Deutschland alsbald in nationales Recht umsetzen, was die EU-Mehrwertsteuersystem-Richtlinie 2006/112/EG längst erlaubt und von anderen Mitgliedstaaten praktiziert wird.

Perspektivisch sollte für den kompletten Kunst-, Kultur- und Medienbereich generell eine einheitliche technologieneutrale Umsatzsteuerermäßigung – so auch für Audio- und audiovisuelle Medien – eingeführt werden.

Erweiterung der Kleinunternehmerregelung

Der Deutsche Kulturrat begrüßt, dass die Umsatzschwelle im Rahmen der Kleinunternehmerregelung gemäß § 19 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz zum 01.01.2025 auf 25.000 Euro angepasst wurde. Deutschland bleibt damit aber deutlich unter dem unionsrechtlich möglichen Schwellenwert von 85.000 Euro. Eine Ausschöpfung der unionsrechtlich möglichen Grenze würde zur geplanten Entbürokratisierung beitragen und sowohl Kleinunternehmerinnen und -unternehmer als auch die Finanzbehörden entlasten. Darüber hinaus könnten hierdurch die bestehenden Probleme bei der Einordnung von Leistungen soloselbstständiger Lehrerinnen und Lehrer in der kulturellen Bildung entschärft werden. Derzeit muss zwischen steuerfreien Bildungsleistungen (Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung) gemäß § 4 Nr. 21 a) bb UStG, steuerfreien Bildungsdienstleistungen für Kinder und Jugendliche in Einrichtungen ohne Gewinnerzielungsabsicht gemäß § 4 Nr. 23 UStG und der in § 4 Nr. 21 c) vorgesehenen Steuerbefreiung des Privatlehrers unterschieden werden. Eine Ausschöpfung der unionsrechtlich möglichen Grenzen der Kleinunternehmerreglung würde es Soloselbständigen ermöglichen, wettbewerbsgerecht im Interesse des Leistungsempfängers ohne Vorsteuerabzug steuerfrei Bildungsleistungen anbieten zu können.

Der Deutsche Kulturrat fordert daher, dass die unionsrechtlichen Grenzen der Kleinunternehmerregelung ausgeschöpft werden.

Umsatzsteuerbefreiung für kulturelle Bildungsdienstleistungen

Viele Anbieter kultureller Bildung sind sowohl in der allgemeinen Bildung als auch der Berufsausbildung tätig. Die Übergänge zwischen allgemeiner und beruflicher Bildung sind in der kulturellen bzw. künstlerischen Bildung teilweise fließend. Darüber hinaus kommt der außerberuflichen kulturellen Bildung eine besondere Bedeutung für die individuelle Persönlichkeitsentwicklung zu, wie es generell für das lebensbegleitende Lernen gilt. Die Umsatzsteuerbefreiung gemeinwohlorientierter Bildungsdienstleistungen dient dazu, kulturelle bzw. künstlerische Bildung allen Personen, unabhängig von ihrem individuellen Einkommen, zugänglich zu machen. Das ist bedeutsam für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Im Jahressteuergesetz 2024 wurden Klarstellungen vorgenommen. Es fehlt bislang aber noch der entsprechend angepasste Anwendungserlass.

Der Deutsche Kulturrat fordert daher, den Umsatzsteuer-Anwendungserlass zügig zu aktualisieren, um so einer verengenden Auslegung der Tatbestände durch einzelne Finanzbehörden entgegenzuwirken und um Rechtssicherheit bei den Trägern kultureller Bildung herzustellen. Klarzustellen ist insbesondere, dass Bildungsdienstleistungen mehr sind als schulische oder auf Schulabschlüsse zielende Angebotsformen und grundsätzlich über die bloße Freizeitgestaltung hinausgehen. Die Klarstellung soll sich sowohl auf Leistungen selbstständiger Lehrerinnen und Lehrer als auch auf Institutionen der kulturellen Bildung unabhängig von ihrer Rechtsform beziehen.

Davon unbeschadet, sollen gewerbliche Seminaranbieter zur Fort- und Weiterbildung weiterhin ihre Angebote mit Umsatzsteuer belegen können.

Präzisierung der Umsatzsteuerbefreiung für Ensembles in der Trägerschaft juristischer Personen des öffentlichen Rechts und gleichartiger Einrichtungen

Gemäß § 4 Nr. 20 UStG sind die Umsätze von Ensembles – wie beispielsweise Chöre, Orchester oder Theatergruppen – in der Trägerschaft von Körperschaften des öffentlichen Rechts, z. B. Kirchengemeinden, umsatzsteuerfrei. Das Gleiche gilt für Umsätze gleichartiger Einrichtungen. Immer dann jedoch, wenn solche Ensembles Veranstaltungen anbieten, zu denen externe Künstlerinnen oder Künstler, z. B. Solistinnen und Solisten, ergänzend hinzugezogen werden, droht hinsichtlich der Umsatzsteuerfreiheit eine unklare Situation, da nicht mehr allein das Ensemble auftritt. Hier bedarf es einer Klarstellung im Umsatzsteuer-Anwendungserlasses, dass die Umsätze der genannten Einrichtungen auch dann umsatzsteuerfrei bleiben, wenn bspw. Solistinnen und Solisten ergänzend hinzutreten.

Der Deutsche Kulturrat fordert, den Anwendungserlass zur Umsatzsteuerbefreiung von Ensembles nach § 4 Nr. 20 UStG dahingehend zu präzisieren, dass die Umsatzsteuerfreiheit der Aktivitäten dieser Ensembles unbürokratisch garantiert ist.

Optionsrecht für Kultureinrichtungen bei der Umsatzsteuerbefreiung für kulturelle Dienstleistungen

Ein steuerpolitisches Dauerthema ist die Umsatzsteuerbefreiung von Kultureinrichtungen für kulturelle Dienstleistungen. Vor nunmehr 20 Jahren hat die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags „Kultur in Deutschland“ in ihrem Abschlussbericht (Bundestagsdrucksache 16/7000) empfohlen, Kultureinrichtungen ein Optionsrecht einzuräumen, ob sie auf die Umsatzsteuerbefreiung verzichten wollen. Im Kulturbereich agieren sowohl privatwirtschaftliche als auch öffentlich geförderte bzw. gemeinnützige Kulturinstitutionen. Während öffentlich geförderte und gemeinnützige Kulturinstitutionen die Umsatzsteuerbefreiung i.d.R. anstreben, stehen privatwirtschaftliche Kulturinstitutionen oftmals vor dem Problem, dass die Finanzbehörden ohne Rücksprache mit den Unternehmen von sich aus für eine Umsatzsteuerbefreiung votieren und die entsprechenden Schritte bei den Kulturbehörden einleiten. Dies führt unter Umständen für die betroffenen Institutionen dazu, dass bereits erstattete Vorsteuern wieder zurückgezahlt werden müssen.

Der Deutsche Kulturrat fordert, die seit mehr als 20 Jahren vorliegenden Vorschläge zum Optionsrecht bei der Umsatzsteuerbefreiung für kulturelle Dienstleistungen endlich umzusetzen. Ein Optionsrecht z. B. für fünf Jahre würde den betreffenden Institutionen Rechtssicherheit geben und ebenfalls zum Abbau von Bürokratie und unnötiger Arbeit insbesondere in der Kulturverwaltung führen.

Optionsrecht für Denkmaleigentümer bei der Umsatzsteuerbefreiung

Gem. § 4 Nr. 20 UStG können auch Denkmäler der Bau- und Gartenbaukunst von der Umsatzsteuer befreit werden. Was vom Gesetzgeber als geldwerter Vorteil gedacht war, hat aber einen Nachteil: So müssen Denkmaleigentümer zwar keine Umsatzsteuer auf z. B. Eintrittskarten (7 %) erheben, sie können dann aber auch auf die bezogenen Leistungen die Umsatzsteuer nicht abziehen (19 %). Einkäufe und Dienstleistungen werden dadurch wesentlich teurer, ohne dass der Ausfall durch die günstigeren Eintrittspreise und dadurch mehr Besucher kompensiert werden könnte. Ein Wahlrecht, ob man diese Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 20a UStG ablehnen möchte, gibt es nicht. Das hat zur Folge, dass sich Eigentümerinnen und Eigentümer dagegen wehren, dass ihre Anlage unter Denkmalschutz gestellt wird.

Der Deutsche Kulturrat fordert die Einführung eines Optionsrechts zur Umsatzsteuerbefreiung für Denkmaleigentümer.

Vermeidung von Doppelbesteuerung bei auftretenden Künstlerinnen und Künstlern sowie grenzüberschreitenden Lizenzierungen

Das 2021 in Kraft getretene Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz (AbzStEntModG) sollte eine Reduzierung und Verschlankung der Verfahren zum Steuerabzug nach § 50a EStG für ausländische Steuerpflichtige erreichen. Die mit zahlreichen Ländern abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen ermöglichen theoretisch eine Freistellung von der Quellensteuer in Deutschland. Allerdings warten Antragstellende über 12 Monate und länger auf ihre Bewilligungen, anstatt der gesetzlichen Frist von drei Monaten. Derzeit befinden sich noch über 20.000 Anträge beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) im Rückstau (Stand Juni 2025)!

Dieser Missstand betrifft sowohl in Deutschland auftretende ausländische Künstlerinnen und Künstler als auch ausländische Lizenzgeber, etwa bei der Lizenzierung von Rechten an Büchern, Musik, Filmen oder Games. Für den Standort Deutschland bedeutet das stark bürokratische Verfahren einen enormen Wettbewerbsnachteil für die deutsche Kultur- und Kreativwirtschaft, zumal die gesetzliche Grundlage in ihren Anforderungen nicht hinreichend zwischen der Erstattung von Kapitalertragssteuern und der Erstattung von Abzugsteuern bei Künstlerinnen und Künstlern sowie Lizenzgebern differenziert, obwohl Letztgenannte nachweislich ein geringes Missbrauchspotenzial aufweisen.

Der Deutsche Kulturrat fordert daher erheblich vereinfachte und entbürokratisierte Verfahren zur Vermeidung von Doppelbesteuerung. Insbesondere die Anwendung von § 50d Abs. 3 EStG auf alle Lizenzgeschäfte der Kreativwirtschaft ist unverhältnismäßig. Zudem ist eine deutliche Erhöhung der Freigrenze für Vergütungen in § 50c Abs. 2 Satz 2 EStG auf mindestens 250.000 Euro erforderlich. Die Expertenkommission „Vereinfachte Unternehmenssteuer“ schlug 2024 sogar 500.000 Euro vor. Dieser Veränderung würde zu einem Abbau von Bürokratie in den betroffenen Unternehmen und bei Unternehmern sowie beim Bundeszentralamt für Steuern beitragen.

Reformbedürftig ist außerdem die Besteuerung in Deutschland lebender Künstlerinnen und Künstler, die im Ausland auftreten. Ihre Einkünfte müssen im jeweiligen Auftrittsland unter dortigen Bedingungen versteuert und mit hohem bürokratischem Aufwand in Deutschland nachgewiesen werden, während andere Selbstständige ihre weltweiten Einkünfte im Inland versteuern. Trotz aller Mühen und Sorgfalt lässt sich am Ende eine Doppelbesteuerung nicht immer vermeiden, was zu Lasten der Künstlerinnen und Künstler geht und verfassungsrechtlichen Grundsätzen widerspricht. Länder wie die Niederlande haben dies erkannt und verzichten gänzlich auf die Erhebung der Quellensteuer. Um die aufwendige Erbringung von Nachweisen zu reduzieren, Überbürokratisierung abzubauen und Wettbewerbsnachteile zu verringern, sollten weltweite Einkünfte von inländischen Künstlerinnen und Künstlern ausschließlich in Deutschland versteuert werden. Zumindest sind jedoch eine stärkere Vereinheitlichung sowie Weiterentwicklung der Ausnahmeregelungen mindestens innerhalb des gemeinsamen europäischen Wirtschaftsraums notwendig.

Der Deutsche Kulturrat fordert im Sinne der Entbürokratisierung und Vereinfachung, die Ausnahmereglungen zur Quellenbesteuerung zu vereinheitlichen und um die bereits im offiziellen OECD-Kommentar zum Musterabkommen aufgeführte Möglichkeit zur Obergrenzen-/Threshold-Regelung zu ergänzen. Um die aufwendige Erbringung von Nachweisen zu reduzieren, sollten weltweite Einkünfte von inländischen Künstlerinnen und Künstlern ausschließlich in Deutschland versteuert werden.

Aus Sicht des Deutschen Kulturrates haben sich die Regelungen zur Besteuerung von im Ausland lebenden Künstlerinnen und Künstlern, die in Deutschland auftreten, im Grundsatz bewährt. Da aber die Honorare und insbesondere die Inflationsrate und der Verbraucherpreisindex seit Einführung der vereinfachten Regelungen im Jahr 2009 deutlich gestiegen sind und die Bundesregierung im Februar 2024 Pläne zur Aufnahme von Honoraruntergrenzen in den Bestimmungen der Kulturförderung vorgestellt hat, damit „künstlerische und kreative Arbeit angesichts ihres hohen gesellschaftlichen Stellenwerts auch angemessen vergütet“ wird, sind auch hier Anpassungen erforderlich.

Der Deutsche Kulturrat fordert, die Milderungsregel nach § 50a Abs. 2 Satz 3 EStG pro Person pro Auftritt auf mindestens 1.000 Euro anzuheben, um sie an aktuelle Entwicklungen der Inflationsrate und des Verbraucherpreisindex anzupassen.

Angekündigte Steueranreizmodelle umsetzen

Die Film- und Games-Produktionsstandorte stehen in einem intensiven internationalen Wettbewerb. Viele EU-Mitgliedstaaten, aber auch Staaten außerhalb der Europäischen Union, haben zur Förderung der dortigen Kreativwirtschaft Steueranreizmodelle eingeführt. Diese Standortpolitik trägt dort Früchte. Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD wird ein Steueranreizmodell zur Stärkung des Standorts Deutschland angekündigt.

Der Deutsche Kulturrat fordert, die im Koalitionsvertrag in Aussicht gestellte Einführung von Steueranreizen zur Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit von Games- und Filmwirtschaft schnellstmöglich umzusetzen.

Ermäßigte Umsatzsteuer auf Antiquitäten

Deutschland sieht keine ermäßigte Umsatzsteuer auf Antiquitäten vor. Dies führt zu einer Benachteiligung des deutschen Handels gegenüber den europäischen Mitbewerbern, insbesondere gegenüber Frankreich (5,5%), Belgien (6%) und Italien (5%). Antiquitäten sind künstlerische Artefakte wie beispielsweise originales Bauhausdesign, die sich durch ihr Alter von mindestens 100 Jahren von Trödel klar unterscheiden.

Der Deutsche Kulturrat fordert die Bundesregierung auf, Antiquitäten (Zolltarifnummer 9706) in Anlage 2 zum Umsatzsteuergesetz hinzuzufügen.

Der Deutsche Kulturrat hat sich in dieser Stellungnahme in erster Linie auf dringend zu lösende umsatzsteuerrechtliche und einkommensteuerrechtliche Fragen konzentriert. Andere steuerrechtliche Themen, wie z. B. Schenkungsteuer, Umsatzsteuer bei Schenkungen von Kunstwerken für gemeinnützige Zwecke und generell gemeinnützigkeitsrechtliche Themen, wird er in einer gesonderten Stellungnahme ansprechen.

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Ein Bündnis bestehend aus Attac Bremen, Fridays For Future, KulturPflanzen e.V., Laut gegen Rechts Bremen, Omas gegen Rechts Bremen und SUN sowie Privatpersonen rufen am Sonntag, 26. Oktober 2025 zur Kundgebung „Wir alle sind das Stadtbild“ auf.

Aufruf zur Kundgebung am 26. Oktober 2025: Bündnis „Wir alle sind das Stadtbild“

Am Sonntag, 26. Oktober, versammeln wir uns auf dem Domshof Bremen, um ein Zeichen zu setzen – für eine solidarische Gesellschaft, die sich vehement gegen jegliche Form von Rassismus stellt.

Vor Kurzem sagte Friedrich Merz in Zusammenhang mit Migration, es gebe „im Stadtbild dieses Problem“. Solch eine Äußerung ist menschenverachtend und sehr gefährlich, weil sie die Grenze zwischen Konservatismus und Nationalismus überschreitet.

Der Bundeskanzler Deutschlands sollte seine Worte genau wählen. So erklärt er Millionen von Menschen, für die er sich eigentlich einsetzen sollte, zu einem Problem. Er reduziert unsere Freund*innen, Kolleg*innen, Familienmitglieder und Nachbar*innen auf ihre Hautfarbe, entmenschlicht sie und sendet die Botschaft: Wer anders aussieht oder wer nicht weiß gelesen wird, gehört nicht dazu. Er macht die Zugehörigkeit von Menschen an ihrem Aussehen fest.

In einer Zeit, in der Ausgrenzung, Hass und rechte Hetze wieder laut werden und in unseren Parlamenten Platz einnehmen, lasst uns gemeinsam aufstehen – für ein Miteinander und eine offene Gesellschaft, die alle einschließt.

Wir sagen: Kein Platz für Rassismus – weder in den Köpfen noch auf unseren Straßen! Und erst recht nicht in unserer Regierung!

Lasst uns Ja sagen zu einer Gesellschaft, in der alle ihren Platz haben.

Lasst uns Ja sagen zu Solidarität und Gemeinschaft.

Rassismus spaltet. Wir bleiben in Solidarität vereint.

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In einer Resolution hat sich der Deutsche Kulturrat zur sprachlichen Vielfalt und zur Anwendung geschlechtergerechter Sprache positioniert. Zur kulturellen Vielfalt gehöre die sprachliche Vielfalt; diese sei eine Möglichkeit, um die Bevölkerung in ihrer Vielfalt abzubilden und zu erreichen, heißt es in der Resolution.

Weiter erklärt der Deutsche Kulturrat: „Der Streit um Wörter und Sprachkonventionen ist ein Kennzeichen öffentlicher Debatten, politischer Diskurse und ein Qualitätsmerkmal für funktionierende Demokratien. Maßnahmen zur Auflösung des strittigen Themas unterdrücken gesellschaftliche Diskussionen und Verständigungsprozesse.“

In vier Punkten positioniert sich der Deutsche Kulturrat zur Frage der Anwendung geschlechtergerechter Sprache.

Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, sagte: „Vor 20 Jahren ist die Bundesrepublik Deutschland mit der Ratifizierung der UNESCO-Konvention zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen die Verpflichtung eingegangen, kulturelle Vielfalt zu schützen und weiterzuentwickeln. Diese Verpflichtung schließt selbstverständlich auch die Vielfalt der Sprache ein. Künstlerinnen, Künstler und Kulturinstitutionen sind frei in der Entscheidung, ob und wie sie gendergerechte Sprache anwenden. Dabei muss es bleiben.“

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Nach einer längeren Brandschutzsanierung können nun ab dem 27. Oktober alle Angebote vor Ort im Kulturhaus Walle Brodelpott in der Schleswiger Straße 4 stattfinden. Auch die Bibliothek und das Café haben wieder Montag bis Donnerstag von 14:30 bis 18:00 Uhr geöffnet. Das Team des Brodelpotts lädt alle ein zum Entdecken, Stöbern und Wiedersehen vor Ort.

Im Zuge der Sanierung ist viel passiert, baulich, gestalterisch und auch inhaltlich. Neben der umfassenden Brandschutzsanierung des Hauses wurden die Räumlichkeiten renoviert sowie die Barrierefreiheit verbessert. Eine umfassende Neugestaltung hat auch die Bibliothek erfahren: nicht nur wurde sie um gemütliche Leseecken ergänzt, auch das Angebot an Büchern und Medien wurde aktualisiert. Mit einem Fokus auf Vielfalt und Demokratieförderung finden sich hier nun zahlreiche Kinder- und Jugendbücher sowie Ratgeber, Literatur und Krimis für Erwachsene.

Nachdem im Haus bereits die ersten Kreativkurse stattfinden konnten, startet das Kulturhaus Walle nun im Herbst in Richtung des gewohnten Betriebs. Eltern und Kinder können zusammen in einem Filzkurs bunte Blumen kreieren und es können an zwei Sonntagen noch einmal Mosaiktrittsteine für den Garten gestaltet werden. Der Geschichtsbereich nimmt seine Arbeit vor Ort auf und bietet neben den regulären Angeboten wie dem offenen Archiv eine Führung durch die Ausstellung zum Werk Hans Brockmöllers in der Bremischen Bürgerschaft an.

Auch die vielen Treffs füllen das Haus wieder mit Leben; so wird es mit den Sessions und der Offenen Bühne des 1. Bremer Ukulelenorchesters wieder musikalisch. Ein letztes Mal in diesem Jahr lädt das Kaisenhausmuseum an einem Sonntag dazu ein, die Ausstellung zur Geschichte der Kaisenhäuser zu besichtigen und bei schönem Herbstwetter im Anschluss auf der Terrasse Kaffee und Kuchen zu genießen.

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Die neue Bundesregierung hat Anfang September 2025 den Haushalt des laufenden Jahres entschieden – mit einer erfreulichen Überraschung für die Bundeskulturfonds: Auf Beschluss der Parlamentarier*innen dürfen sie mit mehr als den geplanten Etats für dieses Jahr rechnen. Neben den erwarteten 3,9 Mio. Euro stehen dem Fonds Soziokultur zusätzlich 813.000 Euro zur Verfügung, sodass der Gesamtetat 2025 nun 4.713.000 Euro beträgt. Die Gremien des Fonds Soziokultur danken den Abgeordneten des Deutschen Bundestages sowie dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) ausdrücklich für diese Aufstockung. Die zusätzlichen Mittel sollen in die nächste Ausschreibung der Allgemeinen Projektförderung fließen und gelangen damit direkt an die Basis kultureller Teilhabe.

Diesem starken Signal für die breite Kulturlandschaft Deutschlands steht der aktuelle Haushaltsentwurf 2026 der Bundesregierung gegenüber: Er entzieht dem Fonds Soziokultur mit 1 Mio. Euro mehr als ein Viertel seiner regulären Bundesförderung. Statt der bisher geplanten 3,9 Mio. Euro (2025) sind 2026 nur noch 2,9 Mio. Euro vorgesehen. Der kurzfristige Aufwuchs in 2025 ist hier noch nicht eingerechnet.

Der Struktureinbruch springt nicht gleich ins Auge, da dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) 2026 mit 2,5 Milliarden Euro rund 10 Prozent mehr Geld als im Vorjahr zur Verfügung stehen. Umso unverständlicher ist die Kürzung, zumal der BKM noch im Juli in einer Pressemitteilung mit der „Stabilisierung der Bundeskulturfonds“ die Umsetzung der entsprechenden Koalitionsvereinbarung verlautbart hatte. Dementsprechend sind im Haushaltstitel 685 17 die Mittel für fünf der sechs Bundeskulturfonds stabil ausgewiesen, nicht jedoch für den Fonds Soziokultur.

Der Fonds Soziokultur, seine sieben Mitglieder und die Arbeitsgemeinschaft der Bundeskulturfonds haben hiergegen Stellung bezogen, den BKM um Gleichbehandlung und Korrektur gebeten und Gespräche mit Abgeordneten aufgenommen, die im November 2025 abschließend über den Bundeshaushalt 2026 entscheiden werden. Wir hoffen nun und arbeiten daran, dass im parlamentarischen Verfahren die Ungleichbehandlung der Bundeskulturfonds für 2026 korrigiert und damit der Ankündigung im Koalitionsvertrag gefolgt wird.

Durch seine Bundesförderung leistet der spartenübergreifende Fonds Soziokultur seit mehr als drei Jahrzehnten einen substanziellen Beitrag zu kultureller Teilhabe, Nachwuchsförderung und gesellschaftlichem Zusammenhalt. Hierzu ist die stabile und paritätische Bundesfinanzierung unabdingbar. 2025 konnte der Fonds Soziokultur rund 170 Maßnahmen ermöglichen, das entspricht 13 Prozent aus 1.300 Anträgen mit einem Finanzierungsbedarf von 24 Mio. Euro. Die geplanten Kürzungen würden diese Förderquote auf ein dramatisches Niveau senken und damit die Breitenwirkung von Kultur in der Gesellschaft erheblich gefährden.

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In Deutschland finden regelmäßig rund 1.800 Musikfestivals statt – von Klassik über Rock, Pop und Jazz bis hin zu Elektronik, Folk und Neuer Musik. Eine neue bundesweite Studie liefert erstmals repräsentative Daten zu Struktur, Finanzierung und gesellschaftlicher Bedeutung dieser einzigartigen Kulturlandschaft. Die Studie ist ein gemeinsames Projekt der Initiative Musik, der Bundesstiftung LiveKultur und des Deutschen Musikinformationszentrums. Die Erhebung wurde durchgeführt vom Institut für Demoskopie Allensbach.

In den vergangenen 20 Jahren wuchs das Angebot an Musikfestivals kontinuierlich und damit auch ihre kulturelle und ökonomische Relevanz: sowohl innerhalb der Musikwirtschaft als auch für Städte und ganze Regionen.  Musikfestivals dienen nicht nur als Orte für soziale Begegnung und Interaktion, sondern auch als Plattformen für künstlerischen Ausdruck, kulturelle Netzwerke und zur Förderung des Nachwuchses.  Mit der Festivalstudie gibt es eine erste bundesweite und genreübergreifende Bestandsaufnahme der Musikfestivals in Deutschland. Die umfassende Erhebung zu Musikfestivals zielt darauf ab, die ökonomische, kulturelle, ökologische und soziale Bedeutung von Musikfestivals zu erfassen und bestehende Wissenslücken zu schließen. 

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Bereits im Juni 2025 hat sich der Deutsche Kulturrat zur Umsetzung des Investitionspakets des Bundes positioniert. Der Deutsche Kulturrat fordert, dass die Kultur Teil des Investitionspakets wird. Hierzu wurden acht konkrete Forderungen formuliert.

Gefordert wird:

In der Begründung wird darauf hingewiesen, dass der Investitionsstau auch im Kulturbereich festgestellt werden kann. Gefordert wird eine konzertierte Aktion von Bund, Ländern und Kommunen zur Sanierung und Erweiterung bestehender Kulturorte sowie zur Errichtung neuer Bauten und Einrichtungen.

Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, sagte: „Wenn es um die Umsetzung des Investitionspaketes geht, darf der Kulturbereich auf keinen Fall vergessen werden. Viele Kulturbauten befinden sich in einem extrem schlechten baulichen Zustand. Sie können entweder schon heute oder aber in absehbarer Zeit nicht mehr genutzt werden, wenn nicht Gelder für nötige Bau- und Sanierungsmaßnahmen zur Verfügung gestellt werden. Jetzt müssen alle kulturpolitischen Kräfte zusammenwirken, damit die Kultur wie Verkehrsinfrastruktur, Bildung und Sportstätten integraler Teil des Investitionspakets des Bundes wird. Wir erwarten von Kulturstaatsminister Wolfram Weimer, dass er sich dafür einsetzt. Die Entscheidungen fallen jetzt!“

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Stellungnahme von Stadtkultur Bremen mit dem Vorschlag für eine neue Kulturförderstrategie, die im Rahmen einer Sitzung der Städtischen Deputation für Kultur 2025 mit einem Input den Deputierten vorgestellt wurde.

Part 1: Die aktuelle Situation: Evaluation, Beispiele, strukturelle Analyse 

Anfang des Jahres 2025 haben wir Feedbacks aus den Einrichtungen der Stadtkultur Bremens erhalten, die die Entwicklung ihrer finanziellen Situation als sehr pessimistisch einschätzen. Hierbei handelt es sich nicht nur um kleine, sondern auch um größere und etablierte Zentren. Deshalb haben wir bereits im Frühjahr eine Evaluation durchgeführt, um uns ein besseres Bild machen zu können.  

Evaluation und Ergebnisse    

Auf die Frage „Wie schätzt Ihr die finanzielle Situation Eurer Einrichtung in den Jahren 2025, 2026 und 2027 ein, wenn Ihr auf Eurem aktuellen Niveau (finanziell, personell und hinsichtlich Eurer Angebote) weiterarbeitet?“ haben knapp 80% geantwortet: dass ihre finanzielle Situation in den Jahren 2025, 2026 bzw. 2027 nicht gesichert sei. – Wobei dies für 50% erst für 2027 zutrifft. 

Als konkrete Maßnahmen gegen die “existenzielle Bedrohung oder Insolvenz” nannten

Auf die Frage: „Um wieviel Prozent müsste die aktuelle Förderung erhöht werden, damit Eurer Einrichtung in den Jahren 2025, 2026 und 2027 auf dem aktuellen Niveau (finanziell, personell und hinsichtlich Eurer Angebote) weiterarbeiten kann?“ antworteten die meisten Einrichtungen: “mit ca. 15%”. 

Die mit diesem Schlaglicht auf die Evaluation konturierte Situation hört sich dramatisch an – und ist es auch:  

Das verdeutlicht bspw. auch ein Blick auf die Inflationsrate. Wenn wir das Jahr 2020 als Ausgangspunkt nehmen, da in 2020 bei vielen Einrichtungen die institutionelle Förderung angepasst wurde, und uns entsprechend die Inflationsrate in Deutschland für die Jahre 2021 bis heute laut den Daten des Statistischen Bundesamts (Destatis) betrachten, dann lässt sich eine durchschnittliche Inflationsrate von gut 20% konstatieren. Die institutionelle Förderung wurde jedoch in diesem Zeitraum für die freien Einrichtungen nur um 5% angehoben. Das bedeutet, dass diese bzgl. der Inflationsrate um ca. 15% hinterherhinken – und das macht sich sukzessive bemerkbar.

Hinter diesen Zahlen stehen reale Folgen. Folgen, die wir täglich spüren: in gekürzten Programmen, in Überstunden, in fehlender Lohnangleichung und in der wachsenden Gefahr von Altersarmut. Das bedeutet: Einrichtungen stehen unter enormen Druck. Beschäftigte arbeiten ohne faire Bezahlung, oft mit Überstunden und ohne Sicherheit. Qualifiziertes Fachpersonal zu finden wird immer schwieriger. Nach jahrzehntelanger Arbeit – wie zum Beispiel bei belladonna – steht am Ende oft nur ein Wohngeld-Anspruch. 

Und für die Stadtgesellschaft heißt das: Attraktivitätsverlust, sinkende Qualität und eingeschränkte Öffnungszeiten. 

Jetzt möchten wir einen Blick in die Praxis werfen. 

Beispiele aus der Praxis

Zur Inflationsbelastung in der Soziokultur: 
In den letzten drei Jahren sind die Kosten für Instandhaltung, Wartung und Reparaturen in unseren Häusern massiv gestiegen – allein beim Güterbahnhof um ca. über 10.000 € jährlich. Handwerker:innenleistungen haben sich zum Teil nahezu verdoppelt, von 44,00 € auf 78,00 € pro Stunde. Diese Preissteigerungen schlagen sich in allen Rechnungen nieder. 

Zur persönlichen Perspektive und Altersarmut: 
Viele von uns im Kulturbereich haben langjährige, vielfältige Ausbildungswege hinter sich – von Handwerks- bis Hochschulabschlüssen, ergänzt durch jahrelange Arbeit in Projekten, oft in Teilzeit, oft nebenher in anderen Jobs. Endlich in den Positionen angekommen, die wir gelernt haben, sehen wir uns dennoch mit prekären Perspektiven konfrontiert: Unsere Rentenbescheide sprechen von Altersarmut – trotz voller Berufstätigkeit. Vergleichbar sind unsere Gehälter mit denen von Pflegekräften, die gesellschaftlich ebenso unverzichtbare Arbeit leisten. 

Praxisbeispiel Künstler:innenhaus Bremen:

Die Zahlen und Beispiele zeigen es deutlich: Die Situation ist nicht abstrakt, sie hat sehr konkrete Folgen. Folgen für die Beschäftigten, für die Strukturen in unseren Einrichtungen, für den gesamten freien Bereich – und für Bremen als Kulturstadt. Diese Konsequenzen möchte ich jetzt benennen. 

1. Belastung der Beschäftigten 

2. Auswirkungen auf Personal und Strukturen 

3. Folgen für den Freien Bereich insgesamt 

4. Qualitätseinbußen und gesellschaftliche Konsequenzen 

Damit wir weiterarbeiten können bräuchte es:  

  1. Erhöhung der Förderung & Inflationsausgleich 
  2. Angemessene Ausstattung der bereits geförderten Institutionen. 
  3. Ein Inflationsausgleich von ist unabdingbar, um die aktuelle Finanzierungslücke zu schließen. 

Trotz all dieser widrigen Bedingungen halten die freien Kultureinrichtungen durch – mit enormem Einsatz der Beschäftigten und mit einem spürbaren Mehrwert für Bremen. Wir leisten nicht nur Kulturarbeit im engeren Sinn, sondern tragen tagtäglich dazu bei, dass unsere Stadt lebendig, vielfältig und solidarisch bleibt. 

Und genau darum geht es im nächsten Teil: Die Stadt bekommt für ihre Investitionen in die freie Kultur weit mehr zurück, als oft sichtbar ist – für die Gesellschaft, für die Stadtteile, für die Attraktivität Bremens insgesamt. 

Part 2: Die Stadt kriegt was für ihr Geld! 

1. Beitrag zur Stadtgesellschaft 
Die freien Einrichtungen in Bremen sind weit mehr als Orte für Kulturveranstaltungen. Sie sind zentral für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, für kulturelle Vielfalt und für eine lebendige Demokratie

Doch die Bedeutung von Kultur – und gerade auch von Stadtkultur und unseren Einrichtungen – geht noch weiter. Denn Kultur ist nicht nur schön, sie ist auch ein entscheidender Push- und Pull-Faktor für Städte. Sie entscheidet darüber, ob Menschen bleiben, ob sie kommen, ob sie eine Stadt als lebenswert wahrnehmen. Und genau hier knüpft der internationale Diskurs an. Ein Faktor, der viel zu wenig gewürdigt wird.

2. Z.B. Creative City 
Die Theorie der „Creative City“ – insbesondere durch Richard Florida geprägt – hebt hervor, dass städtische Entwicklung maßgeblich davon abhängt, wie attraktiv Städte für kreative, innovative und hochqualifizierte Menschen sind. 

3. Übertragung auf Bremen 
Genau hier setzt die Arbeit von Stadtkultur Bremen und unseren Einrichtungen an: 

Creative City: Beispiel Güterbahnhof 

Der Güterbahnhof verbindet künstlerische Praxis, gesellschaftliche Teilhabe und urbane Entwicklung – und leistet damit einen unverzichtbaren Beitrag zur kulturellen Vielfalt, sozialen Integration und kreativen Dynamik der Stadt. Orte wie der Güterbahnhof sind nicht nur Treffpunkte für Kreative, sondern auch Reallabore für demokratische, solidarische und nachhaltige Stadtgesellschaften. 

Dass solche Orte für die Zukunftsfähigkeit einer Stadt entscheidend sind, zeigt auch die demografische Entwicklung: so wandern gerade junge Menschen ab, wenn eine Stadt kulturell und sozial unattraktiv wird. 

Damit Bremen als Stadt eine attraktive und vielfältige Kunst- und Kulturszene hat, braucht es für die Kreativschaffenden und Künstler:innen gute Produktionsbedingungen.  

  1. Neben bezahlbaren Arbeitsräumen und Ateliers gehören dazu Professionalisierungsmöglichkeiten zur Weiterentwicklung und Sicherung der Qualität – auch um die Kreativen in der Stadt zu halten.  
  1. Nicht wenige Projekte der Künstler:innen & Kreativen hängen zudem strukturell an den Einrichtungen und ermöglichen einen niedrigschwelligen Einstieg für den beruflichen Weg in die Kreativwirtschaft/Kunstbetrieb.  
  1. Für die überregionale und internationale Sichtbarkeit und Vernetzung, braucht es Konsistenz. Beziehungen aufbauen, pflegen und Austausch ermöglichen, ist ein wesentlicher Bestandteil, um den Sprung aus der eigenen Blase und Szene zu schaffen. Aber: Internationalisierungsmaßnahmen fallen dem Mangel zum Opfer. 

Part 3: Planbarkeit – nicht mehr „nur auf Sicht fahren“  

Jedes Jahr von Neuem planen. Das ist Alltag für viele Einrichtungen der Stadtkultur. Wir teilen die gleichen Fragen und Sorgen:  

  1. Können die Befristungen fürs Stammpersonal verlängert werden – wer übernimmt die Aufgaben, wenn das nicht mehr geht? Finde ich gut ausgebildete Honorarkräfte, die flexibel sind, denen Mindestlohn reicht, um einzuspringen? Wie erhalten wir Erfahrungswerte, damit das Wissen nicht verloren geht? 
  1. In diesem Jahr beantragen wir die Projektmittel für das kommende Jahr, ohne mit Gewissheit sagen zu können, wie hoch der Eigenanteil wirklich sein kann und ob überhaupt Personal zur Verfügung steht, das Programm durchzuführen. Die Qualität leidet, das volle Potential bleibt unausgeschöpft. 
  1. Auf Sicht fahren ist riskant, auf Sicht fahren ist anstrengend, auf Sicht fahren bedeutet, keine Planbarkeit herstellen zu können.  
  1. Auf Sicht fahren ist Mangelverwaltung. 

Part 4: Was tun?

Wir haben nun aufgezeigt, wie sich die aktuellen Rahmenbedingungen auf die Arbeit der freien Einrichtungen auswirken – und welche Folgen das für die Beschäftigten, für die Strukturen und letztlich auch für Bremen als Kulturstadt hat. Damit stellt sich die entscheidende Frage: Was tun? 

Eine deutliche Erhöhung der Förderungen wäre eigentlich unabdingbar. Aber unter den aktuellen finanziellen Rahmenbedingungen – und angesichts der nachrangigen Bedeutung, die Kultur, und gerade die freie Szene, im politischen Bewusstsein oft hat – erscheint das kaum realistisch. 

Deshalb schlagen wir etwas anderes vor: Wir brauchen eine gemeinsame Kulturförderstrategie. Einen Prozess, der über kurzfristige Ad-hoc-Maßnahmen hinausgeht und nachhaltige, strukturverändernde Wirkung entfaltet. 

Wir wünschen uns Partizipation – also die aktive Einbindung aller relevanten Akteur:innen: von Verwaltung und Politik über Verbände bis hin zur freien Szene, den Museen und Theatern. 

Wir wünschen uns noch mehr Transparenz – mit klareren Kriterien und noch nachvollziehbareren Entscheidungen und Entscheidungswegen. 

Wir wünschen uns kontinuierliche Kommunikation – Austausch und Verständigung statt isolierter Einzelmaßnahmen. 
Und wir wünschen und wir brauchen: eine langfristige Perspektive – Förderentscheidungen, die über Legislaturperioden hinaus Planungssicherheit schaffen. 

Unser Vorschlag versteht sich ausdrücklich als Einladung: Lassen Sie uns diesen Prozess gemeinsam gestalten – partnerschaftlich, konstruktiv und mit dem Ziel, Kultur zu stabilisieren und die kulturelle Zukunft Bremens langfristig zu sichern 

Oder anders ausgedrückt: 

Um den Herausforderungen der kommenden Jahre gewappnet entgegentreten zu können – und Planungssicherheit sowie faire Bezahlung zu ermöglichen, und die Voraussetzungen zu schaffen, dass: die freien Einrichtungen – und generell Kunst und Kultur – weiterhin ihre zentrale Rolle spielen können (und zwar) für: gesellschaftlichen Zusammenhalt, Resilienz und Transformation, kulturelle Teilhabe, demokratische Gestaltung des Lebens in unserer Stadt und deren prosperierende Entwicklung, die sich nicht primär an ökonomistischen Kriterien orientiert, schlagen wir vor: ausgehend vom Kulturförderbericht 2018 in einem partizipativen und transparenten Prozess aller relevanten Akteur:innen aus Politik, Kultur und Verwaltung eine gemeinsame Kulturförderstrategie zu erarbeiten, bei der nicht einzelne Institutionen, Bereiche oder Akteur:innen gegeneinander ausgespielt werden, sondern bei der systematisch zusammengearbeitet und – mit viel Synergiepotential – der aktuellen Problemstellung in ihrer Komplexität begegnet werden kann und deren Ziele von einem geeigneten Wirkungscontrolling kontinuierlichen begleitet werden. 


Hintergrund: Am 27.08.2025 hat die Stadtkultur im Rahmen der Sitzung der Städtischen Deputation für Kultur mit einem Input die Deputierten über die aktuelle Situation der freien Einrichtungen informiert sowie die aus unserer Sicht strukturelle Transformation in diesem Bereich skizziert und Politik und Verwaltung die Perspektive einer gemeinsamen Entwicklung einer zukünftigen Kulturförderstrategie vorgeschlagen.

Für die Stadtkultur vorgetragen haben in der Deputationssitzung: Rebecca Gefken (Vorständin Stadtkultur und stellvertretende Geschäftsführerin von “belladonna”), Janine Behrens (Geschäftsführerin “Künstler:innenhaus”) und Thomas Hartmann (Geschäftsführer Stadtkultur) 

Der Text dokumentiert unseren Beitrag. 

News

Am 28. Juni 2025 ist das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Kraft getreten. Es verpflichtet alle Wirtschaftsakteure, ihre digitalen Angebote wie Websites und Apps barrierefrei zu gestalten, sodass sie von Menschen mit Behinderungen genutzt werden können. Das Gesetz gilt grundsätzlich auch für Vereine mit mehr als zehn Beschäftigten und einem Jahresumsatz von über 2 Mio. Euro, die Produkte oder Dienstleistungen für Verbraucher anbieten.

Grundsätzlich gilt das BFSG mit der zugehörigen Verordnung (BFSG-VO) für alle Wirtschaftsakteure, die Produkte oder Dienstleistungen für Verbraucher anbieten – also auch Vereine. Ausnahmen gelten für Kleinstunternehmen mit:

Ob ein Verein darüber hinaus betroffen ist, hängt davon ab, welche digitalen Angebote er bereitstellt. Betroffen sind Vereine,

Nicht betroffen sind Vereine, die:

Was heißt Barrierefreieiheit bei digitalen Angeboten?

Nach dem BFSG müssen digitale Angebote so gestaltet sein, dass sie ohne fremde Hilfe und über mehrere Sinneskanäle nutzbar sind. Dazu gehören: Alternative Texte für Bilder, Untertitel für Videos, einfache Sprache, Tastaturbedienbarkeit, Screenreader-Kompatibilität, Kontraste und Schriftgrößen für bessere Lesbarkeit.

Barrierefreie digitale Angebote bringen Vorteile auch für Vereine, die vom Gesetz ausgenommen sind. So kann sich die Reichweite der Webseite durch bessere Zugänglichkeit erhöhen oder sich positiv auf die Suchmaschinenoptimierung (SEO) auswirken. Zudem stärkt es natürlich Inklusion und Teilhabe.

Was passiert bei Verstößen?

Marktüberwachungsbehörden kontrollieren stichprobenartig die Einhaltung des BFSG . Bei Verstößen kann eine Aufforderung zur Nachbesserung erfolgen. Bei Wiederholung können Bußgelder bis zu 100.000 Euro verhängt werden. In Ausnahmefällen haften auch Vorstandsmitglieder.

Ansprechpartnerin für Bremen ist die Zentralstelle für barrierefreie Informationstechnik, deren Aufgabe die Durchsetzung und Überwachung der digitalen Barrierefreiheit in der Freien Hansestadt Bremen ist und die bei Fragen unterstützt. Grundlage hierfür bildet Abschnitt 3 im Bremischen Behindertengleichstellungsgesetz (BremBGG).