Mitte-Studie 2025: Die angespannte Mitte
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Die neue Mitte-Studie 2024/25 der Friedrich-Ebert-Stiftung beschreibt ein angespanntes gesellschaftliches Klima. Rechtspopulistische Deutungen gewinnen an Raum, während Vertrauen und Dialog schwinden. Viele Themen der Studie betreffen auch die Praxis der Soziokultur: von Demokratiebildung über zivilgesellschaftliches Engagement bis zur Frage, welche Orte den gesellschaftlichen Zusammenhalt tragen.
Politische Bildung als Fundament demokratischer Kultur
Demokratie entsteht nicht von selbst. Sie muss gelernt, erlebt und geübt werden. Die Studie hebt hervor, dass politische Bildung Wissen, Urteilskraft und Teilhabe fördert, zugleich aber zunehmend Angriffen ausgesetzt ist. Programme werden als zu politisch oder zu identitätspolitisch kritisiert, Förderungen stehen infrage. Gefordert wird eine unabhängige, langfristig gesicherte politische Bildung, die demokratische Kompetenzen stärkt und pluralistische Debatten ermöglicht.
Zivilgesellschaft unter Druck
Zivilgesellschaftliche Organisationen übernehmen wichtige Aufgaben für Zusammenhalt und Demokratie, geraten aber selbst verstärkt in politische Auseinandersetzungen. Ihnen wird Parteilichkeit oder fehlende Neutralität vorgeworfen, was Engagement erschwert und Projekte gefährdet. Die Studie warnt vor einer schleichenden Aushöhlung unabhängiger zivilgesellschaftlicher Arbeit und fordert verlässliche Rahmenbedingungen für gemeinwohlorientiertes Handeln.
Fehlende Orte für Austausch und Begegnung
Gesellschaftliche Gruppen begegnen sich immer seltener. Abschottung, Misstrauen und das Entstehen paralleler Öffentlichkeiten führen zu Entfremdung und zum Verlust gemeinsamer Erfahrungen. Die Studie sieht in dieser Entwicklung eine zentrale Ursache gesellschaftlicher Spaltung und plädiert für mehr Räume, in denen Menschen unterschiedlicher Hintergründe kontrovers, aber respektvoll miteinander ins Gespräch kommen können.
Soziale und kulturelle Infrastruktur als Vertrauensanker
Das Vertrauen in Demokratie hängt eng mit wahrgenommener Lebensqualität zusammen. Wo soziale und kulturelle Einrichtungen verschwinden, wird der Alltag ärmer und Unzufriedenheit wächst. Vor allem in kleineren Städten entstehen Lücken in der Daseinsvorsorge, die als Brennpunkte wahrgenommener Ungleichheit wirken. Lebensnahe Infrastruktur – Bildung, Freizeit, Kultur, Begegnung – gilt der Studie zufolge als Grundbedingung demokratischer Stabilität.
Regionale Ungleichheit
In vielen ländlichen und peripheren Regionen erleben Menschen gesellschaftlichen Wandel als Benachteiligung. Fehlende Infrastruktur, Abwanderung und geringere Teilhabechancen verstärken das Gefühl, „abgehängt“ zu sein. Diese Wahrnehmung spiegelt sich in sinkendem Vertrauen in Institutionen und wachsender Zustimmung zu populistischen Positionen.
Klimapolitik und soziale Gerechtigkeit
Kaum ein Thema polarisiert so stark wie Klimaschutz. Viele empfinden ökologische Maßnahmen als sozial ungerecht oder elitär. Die Studie zeigt: Nur wenn Klimapolitik soziale Ausgleichsmechanismen mitdenkt, entsteht Akzeptanz. Ohne gerechte Verteilung und glaubwürdige Kommunikation drohen neue gesellschaftliche Bruchlinien.
Emotionen als politische Triebkräfte
Politische Einstellungen werden immer stärker von Emotionen geprägt. Angst, Wut und Ohnmacht beeinflussen die Wahrnehmung politischer Themen oft stärker als Fakten.
Diese Emotionalisierung fördert Feindbilder und erschwert sachlichen Austausch. Die Studie fordert Dialogformate, die Emotionen anerkennen und Gesprächsräume eröffnen, in denen Ambivalenzen ausgehalten werden können.
Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit bleibt verbreitet
Abwertende Einstellungen gegenüber Geflüchteten, Muslim*innen, Jüd*innen, queeren Menschen oder Frauen bleiben verbreitet. Antifeminismus und Maskulinismus gewinnen an Sichtbarkeit und werden politisch instrumentalisiert. Empfohlen werden kontinuierliche Präventions- und Bildungsmaßnahmen, die Gleichwertigkeit, Vielfalt und respektvollen Umgang fördern.
Demokratie lernen – im Alltag
Demokratische Haltung entsteht nicht nur in der Schule. Auch Familie, Vereine, Religionsgemeinschaften oder lokale Initiativen tragen dazu bei, dass Menschen Verantwortung übernehmen und Mitbestimmung erfahren. Die Studie plädiert dafür, solche Lernorte zu stärken und sie als wesentliche Bestandteile einer demokratischen Kultur anzuerkennen.
Die repräsentativen „Mitte-Studien“ der Friedrich-Ebert-Stiftung geben alle zwei Jahre Auskunft über die Verbreitung, Entwicklung und Hintergründe rechts-extremer, menschenfeindlicher und antidemokratischer Einstellungen in Deutschland. Die diesjährige Ausgabe unter dem Titel „Die angespannte Mitte“ blickt auf die Normalisierung des Rechtsextremismus und aktuelle Entwicklungen in Zeiten globaler Verunsicherungen.